30.04.2025

Taiwan Today

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Zehn Jahre Carl Duisberg Gesellschaft Taiwan

01.11.1989
Während eines von der CDA/T veranstalteten Seminars zur "Kontrolle von Umweltverschmutzung in kleinen und mittleren Betrieben" 1987 wurde auch eine Sanyang-Fabrik besichtigt.
"Ich möchte kurz über die Anfänge unseres Trainingsprogrammes zwischen der Republik China und der Bundesrepublik Deutschland berichten. In den frühen 60er Jahren kam bei uns verstärkt der Wunsch auf, die Produktivität zu verbessern. Wir dachten, daß wir das deutsche 'Meister System' in den Fabriken der Republik China einführen sollten. Daher luden wir einen deutschen Experten ein und durch ihn zwei weitere Lektoren, einen aus dem industriellen und einen aus dem kaufmännischen Bereich. So fing alles an." - Wellington Y. Tsao, Vorsitzender der Euro-Asia Handelsorganisation, in seiner Rede anläßlich des 10. Jahrestages der Gründung der Carl Duisberg Gesellschaft Taiwan.


Carl Duisberg, Chemiker und Industrieller, ehemals leitender Direktor der Bayer AG, förderte nach dem Ersten Weltkrieg den Aufenthalt von 500 deutschen Werkstudenten in Amerika. Einige derjenigen, die von diesem Auslandstraining profitierten, befanden sich 1949 unter den Gründern der Carl Duisberg Gesellschaft (CDG).

Die Carl Duisberg Gesellschaft ist eine gemeinnützige Organisation für internationale berufliche Weiterbildung. Ihre Programme richten sich an Fach- und Führungskräfte aus der Bundesrepublik Deutschland, anderen Industrienationen sowie aus Entwicklungsländern. Die CDG ist eine Gemeinschaftsaktion von Wirtschaft und Staat und wird von etwa 1 000 Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen der Wirtschaft als Mitgliedern getragen; die Wirtschaft erbringt jährlich unentgeltliche Leistungen vorwiegend durch die Bereitstellung von Praktikantenplätzen, der Staat beteiligt sich bei Programm-, Sach- und Personalkosten.

Das Leistungsangebot der CDG wird ergänzt durch die gemeinnützige 1962 gegründete Carl Duisberg Centren GmbH (CDC), die sich besonders auf berufsbezogene Sprachausbildung sowie auf berufsfachliche Trainingsprogramme für auslandsorientierte Unternehmen und ausländische Regierungen spezialisiert. CDG und CDC werden durch den Senior Experten Service (SES) - Ehrenamtlicher Dienst der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH - ergänzt und unterstützt.

Lin Neng-jong (林能中), Vorsitzender der Carl Duisberg Gesellschaft Taiwan (Carl Duisberg Association/Taiwan, CDA/T), nahm 1977 an einem vierwöchigen Seminar über Exportförderung in der Bundesrepublik Deutschland teil. In seiner Eröffnungsrede anläßlich des zehnjährigen Bestehens der CDA/T skizzierte er die alten und neuen Schwerpunkte der Organisation, um den Austausch und die Information in Wissenschaft und Technik zwischen den beiden Ländern zu verbessern: "Auch in Zukunft werden wir 1. die Unternehmen auf Taiwan bei der Anforderung von deutschen Senior Experten für Taiwan beraten und unterstützen. [Die Zentrale der CDG in Köln kontaktiert den SES, sammelt die in Frage kommenden Informationen und reicht diese nach Taipei weiter. In der Regel bleiben die Senior Experten 1-2 Monate, um ihr Fachwissen in den verschiedensten technischen Bereichen zur Verfügung zu stellen]; 2. die Koordination von taiwanesischen und deutschen Unternehmen fördern sowie Besichtigungen von Unternehmen in Deutschland bzw. Europa arrangieren und durchführen; 3. deutschen Firmen, die chinesisches Personal suchen, bei der Auswahl und der Kontaktaufnahme mit entsprechenden Instituten auf Taiwan helfen; 4. in Zusammenarbeit mit deutschen Firmen und der CDA/T relevante Seminare über deutsches Knowhow veranstalten sowie spezielle Anregungen und wichtige Hinweise zum Vertrieb taiwanesischer Produkte geben."

Die Carl Duisberg Gesellschaft Taiwan (中德技術合作研究協會) besteht aus den ehemaligen in Deutschland ausgebildeten Stipendiaten der CDG und der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE), die mit der Unterstützung der Bundesregierung und der Regierung der Republik China ausgesucht und gefördert worden sind.

SES-Senior-Expert Holleufer bei einem Seminar über die Erhöhung der Produktivität und Automatisierung von Herstellungsprozessen in kleinen und mittleren Betrieben in Taiwan.

Zehn Jahre nach ihrer Gründung zählt die CDA/T heute mehr als 300 Mitglieder, bei denen es sich überwiegend um Einzelpersonen oder Unternehmen aus Taiwan handelt. Doch auch einige auf Taiwan ansässige deutsche Privatpersonen und Firmen haben die Mitgliedschaft erworben.

Leider sind Frauen in der CDA/T nach wie vor eine Seltenheit, doch die wenigen, die der Organisation beitraten, sind laut Lin "im Berufsleben alle sehr erfolgreich." Sie arbeiten in Bereichen wie Import/Export, Umweltschutz oder Kunststoff-Technologie. Der Verband ist zwar nicht auf Technik oder Wirtschaft beschränkt, doch sind Mitglieder aus anderen Berufssparten, beispielsweise Juristen, eindeutig in der Minderheit. Aber es gibt sie: Das CDA/T-Mitglied Frau Chou Li-fan zum Beispiel fällt als Frau und als Geisteswissenschaftlerin, die ein Studium der Kunstgeschichte in Deutschland abgeschlossen hat, gleich doppelt aus dem Rahmen.

Der Chinesisch-Deutsche Kultur- und Wirtschaftsverband (德國中華經濟協會) macht der CDA/T starke Konkurrenz, und nicht selten sind Personen in beiden Vereinen Mitglied.

Die CDA/T, die sich durch die Beitrittsbeiträge neuer Mitglieder, die Jahresbeiträge der Mitglieder, Subventionen und Spenden finanziert, hat in diesem Jahr die Zahl der Stipendiaten, die zur beruflichen Weiterbildung in die Bundesrepublik Deutschland geschickt werden, von 15 auf 30 verdoppelt. Teilnehmer an technischen Praktika in deutschen Fabriken, an Managementtraining oder Seminaren für leitende Angestellte sollen ihr Wissen, nach ihrer Rückkehr nach Taiwan, als Ausbilder oder Ratgeber weitergeben. Sie werden oftmals dazu aufgefordert, Vorträge zu halten, in denen nicht unbedingt das neuerworbene Wissen im Vordergrund stehen muß, sondern auch über das Alltagsleben in der Fremde, über den Straßenverkehr, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Sitten und Bräuche der Deutschen berichtet wird.

Bei ein- bis zweimonatigen Seminaren oder Fabriksbesichtigungen ist Englisch die Kommunikationssprache. Erhält ein Stipendiat jedoch eine betriebliche Ausbildung in einer oder mehreren Fabriken, die über ein halbes Jahr hinausgeht, wird er aufgefordert, zuvor an einem Sprachkurs der Carl Duisberg Centren teilzunehmen, der ihm ermöglicht, im beruflichen und privaten Umfeld sprachlich handlungsfähig zu werden und das Gelernte unmittelbar anzuwenden.

Besonders positiv äußerte sich Lin über die Auffrischungskurse, an denen sich ehemalige Stipendiaten nach fünf Jahren beteiligen können. "Die USA oder Japan bieten nichts Vergleichbares an. Diese Kurse sind äußerst praktisch und ermöglichen uns, 'up to date' zu bleiben." Wer einmal an einem CDG-Programm teilgenommen hat, kann auch weiterhin mit der Unterstützung der CDG rechnen. Frau Gudrun Eisenmann von der Nachkontaktstelle ist dafür zuständig, wichtige Informationen, Fachliteratur und die Einladungen zu Auffrischungskursen in Deutschland an die Zweigstellen im Ausland weiterzuleiten.

Die Auffrischungskurse finden so großen Anklang, daß viele Bewerber abgewiesen werden müssen. Bei vielen scheidet eine Teilnahme auch schon aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse aus, die bei den Auffrischungskursen, anders als bei den Seminaren, Voraussetzung sind. Leiter kleinerer Unternehmen werden bei der Bewerbung in der Regel Leitern größerer Konzerne vorgezogen.

Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen deutschen Unternehmen und der CDA/T genau aussehe, antwortete Lin: "Es kommt nur selten vor, daß deutsche Unternehmen die CDA/T bitten, ihnen bei der Wahl von Verkaufs- oder Produktionspartnern auf Taiwan behilflich zu sein. Für solche Anfragen sind das Deutsche Wirtschaftsbüro oder das Wirtschaftsministerium der Regierung besser ausgerüstet. Die CDA/T organisiert jedoch Ausstellungen und Vorträge und stellt den Unternehmen gelegentlich so ihren guten Namen zur Verfügung." Leider war die CDA/T bislang trotz Anfragen noch nicht in der Lage, deutschen Studenten in örtlichen Unternehmen oder Fabriken Praktikumsplätze zu vermitteln. Entsprechende Stellen stehen zwar zur Verfügung, doch da die Studenten in der Regel ihren Wohnsitz in Taipei haben, um an einer der zahlreichen Sprachschulen Kurse in Mandarin zu belegen, die Fabriken jedoch in den Vororten angesiedelt sind, scheiterte die erfolgreiche Vermittlung bisher an der räumlichen Distanz, die das tägliche Verkehrs-Chaos fast unüberbrückbar werden läßt.

Die CDA/T veröffentlicht vierteljährlich das Magazin "CDA/T news", das in 50 Länder verschickt wird. In ihm werden u.a. neue Mitglieder, Seminarthemen und -programme vorgestellt. Da viele ehemalige Stipendiaten in Deutschland gute Sprachkenntnisse erworben haben, können die wichtigsten Artikel von ihnen selbst ins Deutsche übersetzt werden. Wie der Mai-Ausgabe des Magazins zu entnehmen war, plant die CDA/T noch für dieses Jahr in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wirtschaftsbüro eine Seminarreihe über deutsche Naturwissenschaften und Technik, für die von Mitgliedern der CDA/T und der chemischen Abteilung des Instituts für Industrie- und Technologieforschung bereits siebzehn Themen vorbereitet werden.

Die CDA/T bemüht sich um die Intensivierung des Kontaktes zu Carl Duisberg Gesellschaften im Ausland, insbesondere in den südostasiatischen Nachbarstaaten Singapur, Thailand und auf den Philippinen. Lin betonte, es sei "der Wunsch der CDA/T, eines Tages eine regionale CDA zu gründen."

"Taiwan braucht die deutsche Technologie und ist gleichzeitig für die deutsche Wirtschaft ein lohnender Investitionspartner in Südostasien. Auf der Basis dieses beiderseitigen Nutzens wird die CDA/T auch in Zukunft nicht unter Aufgabenmangel zu leiden haben", sagte Lin. Die Carl Duisberg Gesellschaft sieht in der internationalen beruflichen Weiterbildung ein wichtiges Mittel zur gegenseitigen Anregung von Gesellschaften und Kulturen, zur Verbreitung neuer Ideen und zur Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern in ihrem Streben nach Industrialisierung.

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